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Von wegen „deutsche Pünktlichkeit“

Smalltalk auch bei flüchtigen Begegnungen und stets die Frage nach dem eigenen Wohlbefinden? Was vielen übertrieben freundlich empfinden, bleibt Nathan aus seinem Jahr als Fremdsprachenassistent in Kalifornien in guter Erinnerung. „Denn selbst ein schlechter Tag kann so von jetzt auf gleich eine positive Wendung erfahren“, sagt er

Wie sah ein gewöhnlicher Tag am College aus?

Oft habe ich zuerst meine Aufgaben für den Tag geplant: Das konnten Sprechstunden sein, in denen ich Studierenden etwa bei ihren Hausaufgaben geholfen habe, die Unterstützung der Deutschlehrkräfte im Unterricht oder auch die Vorbereitung von Events oder Guest Lectures. Abends habe ich oft Sport gemacht oder etwas mit Freunden auf dem Campus oder in der Umgebung unternommen.

 

Welche Frage deiner Schülerinnen, Schüler hat dich am meisten überrascht?

Ob es stimmt, dass Deutsche immer pünktlich sind. Als ich mich einmal fünf Minuten vor Stundenbeginn für meine Verspätung entschuldigt habe, hatte sich die Frage von selbst beantwortet. Dass Pünktlichkeit nach wie vor eine deutsche Tugend ist, habe ich dann noch hinzugefügt, aber auch, dass man die ach so deutsche Pünktlichkeit im ÖPNV leider viel zu häufig vermisst. Da klappte selbst meiner in Deutschland geborenen Betreuungslehrkraft die Kinnlade runter.

 

Welche Dinge hast du in Kalifornien besonders vermisst?

Mir fallen drei Dinge ein:

  • Deutsches Brot: Ich habe oft vor meinen Studis von unserer über 3 200 Sorten starken Brotkultur geschwärmt.
  • Mein Fahrrad: In Münster ist das wie mein zweites Paar Beine. Zum Glück bin ich aber durch zahlreiche Einladungen zu Carpools der unglaublich gastfreundlichen Amerikanerinnen und Amerikaner immer von A nach B gekommen.
  • Weihnachtskultur: Das sonnige Klima Kaliforniens ist definitiv eine gelungene Abwechslung zum regnerischen Westfalen. Aber vor Weihnachten hat es mir dann doch gefehlt, mich bei frostigen Temperaturen mit einem heißen Getränk im Gedränge unserer Weihnachtsmärkte auf das Jahresende einzustimmen.

 

Nathan mit Lucy auf dem Campus der Sonoma State University. Übrigens: Charles Schulz, Vater der Peanuts, hat lange im hiesigen County gewohnt und ist ein großer Gönner der Uni gewesen – die Bibliothek ist nach ihm und seiner Frau benannt.

  • Fremdsprachenassistenz

    Aktiv werben für Deutsch

    Hier sieht man mich mit Anna, einer Studentin der PH Freiburg, und Dr. Michaela Grobbel (Bildmitte), German Professor an der Sonoma State, beim tabling, was man als „Infotisch” bezeichnen könnte. Nur, dass man hier bei jedem noch so kleinen Event tabelt und aktiv, eben im amerikanischen Stil, versucht, möglichst viele Leute an den Tisch zu bekommen, um so über den Club und das Programm zu informieren und so neue Interessenten gewinnt.

  • Fremdsprachenassistenz

    Deutsche Pünktlichkeit

    Hier erkläre ich der German 101 class, wie die Uhr in Deutschland läuft. Was bei uns morgens 7 Uhr und abends 19 Uhr heißt, kennen die Amerikaner unter military time. Das umzurechnen ist aber einigermaßen schwer und ein gutes Beispiel dafür, dass Sprachenunterricht auch das Erlernen von Kultur bedeutet. Das Tafelbild ist dagegen ein wunderbares Beispiel dafür, was ich mir beim Team-Teaching oft zur Aufgabe gemacht habe: Mit einem Kasten an White-Board Markern bewaffnet habe ich den Unterricht verfolgt und neue Konzepte, Vokabeln oder kulturelles Wissen in Tafelbildern zusammengefasst. So habe ich viel Übung im Malen von Tafelbildern bekommen.

  • Fremdsprachenassistenz

    If you come to San Francisco

    Im April stand ein Wochenendtripp nach San Francisco auf dem Programm ‒ gemeinsam mit zwei Liza und Margot, die an der Sonoma State University studieren und im Deutsch-Club aktiv sind. Ein Foto vor der Golden Gate Bridge gehörte natürlich dazu. Ich habe the city, wie die Stadt hier of genannt wird, in meinem Jahr kennen und lieben gelernt: Sie ist unglaublich progressiv und hat mehr zu bieten, als man in einem Jahr erleben könnte. Perfekt, um aus dem Alltagstrott herauszukommen und in das aufregende Leben amerikanischer Großstädte einzutauchen.

  • Fremdsprachenassistenz

    Erlebnis Sportevent

    Hier bin ich beim Baseballspiel der San Francisco Giants gegen die LA Dodgers im Oracle Park. Unsere Uni organisiert regelmäßig Ausflüge zu verschiedensten Zielen, und Sportevents sind oft dabei. Obwohl ich kein großer Teamsportfan bin, hat mich das Fieber gepackt und schlug schnell in Lokalpatriotismus um: So schnell, dass das haarscharfe Aus der SF 49ers im Finale des Superbowls schon, wie man hier so schön sagt, hit home ‒ also richtig gesessen hat.

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Welches deiner Bilder über die USA hast du korrigieren können?

Oft habe ich gehört, dass die Menschen hier übertrieben freundlich sind und gar nicht wirklich meinen, was sie sagen. Ich finde es aber unheimlich erfrischend, mit Leuten auf der Straße Smalltalk zu halten und auch die kürzeste Begegnung mit einem Lächeln und How’s it going? auszuschmücken. Man fühlt sich so schnell als Teil der Community, auch die flüchtigste Begegnung bleibt positiv in Erinnerung. Selbst der schlechteste Tag kann so von jetzt auf gleich eine positive Wendung erfahren.

 

Deine Tipps an künftige Fremdsprachenassistenzkräfte zur Vorbereitung?

  • Vernetzt euch mit anderen deutschen oder internationalen FSA. Leute zu haben, mit denen man sich austauschen kann, die gerade dieselbe Spannung, Vorfreude oder anxiety durchleben – und die denselben Papierkram ausfüllen müssen ‒, ist Gold wert.
  • Jagen und sammeln: Egal ob deutsche Süßigkeiten im Angebot, Infoflyer aus der Heimatstadt oder selbstgeschossene Bilder ‒ alles, was euch besonders Deutsch vorkommt oder euren Alltag widerspiegelt, ist perfekt für die authentische Vermittlung deutscher Kultur. Außerdem schafft ihr euch so einen Puffer im Gepäck für Souvenirs und Unterrichtsmaterial bei der Rückreise.
  • Sich eine bucket list für die Zeit vor Ort zu machen, lässt die Vorfreude steigen: Außerdem vergeht die Zeit hier so schnell, dass es gut ist, schon vorher einen groben Plan zu haben: Denkt nicht nur an Orte, sondern auch an persönliche Ziele. Was wolltet ihr schon lange machen, habt euch aber immer gescheut? Die Veränderungen von Ort, Kultur und Sprache bieten den perfekten Kontext, um sich nochmal neu zu entdecken.

Welches Utensil sollte man im Reisegepäck nicht vergessen?

Eine wiederverwendbare Wasserflasche! Staying hydrated ist in Amerika ein Teil des Kulturerbes. Amerikanerinnen und Amerikaner haben deshalb ihre Wasserflasche immer dabei, die dann an den überall verfügbaren Wasserspendern aufgefüllt werden kann. Außerdem eignet sich eine solche Flasche perfekt als Sammelfläche für all die Sticker, die man in Städten und Nationalparks bekommt.

Welche Redewendung hast du aus den USA mit zurückgebracht?

(to) wear (a lot of) different hats: Die Redewendung dafür, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, beschreibt meine Zeit hier wunderbar treffend: Ich war unter anderem in der Rolle des (Team-)Lehrers, aber gleichzeitig auch des Peers, des Cultural Ambassadors oder des Studierenden am College unterwegs und konnte so eine Fülle an verschiedensten Erfahrungen sammeln.

Was haben deine Schülerinnen und Schülern besonders gerne auf Deutsch gesagt?

Quietscheentchen: Ein niedliches Wort für einen niedlichen Gegenstand.

Nathan hat an der Uni Münster Englisch und Italienisch studiert und 2023 im Master of Education abgeschlossen.